In der sogenannten E-Musik-Szene herrscht eine biedere Verklemmtheit emotionaler Ausdrucksweisen. Gefangen in kleinen oder großen Formen sind expressive Gefühlsausbrüche erlaubt, erwünscht oder geradezu Pflicht. Die Interpreten notierter, d. h. vorgeschriebener Klangstrukturen, agieren wie Schauspieler, üben sich gezielt in der Erzeugung und Darstellung innerer Gemütsbewegungen, um ihr Publikum zu berühren, anzustecken, dessen Aufmerksamkeit zu erregen, die Energie anwesender Lebewesen zur Verstärkung ihrer anführenden Rolle zu nutzen, im Gruppenerlebnis zu baden – ein im Grunde natürliches Bedürfnis gem-einsamen Schwingens.
Doch die Kluft zwischen An- bzw. Ausführenden und auf das Spenden von Energie reduzierten Zuhörern bleibt bestehen. Man lobt, staunt, bewundert Virtuosität, Einfallsreichtum und Fleiß der so außerordentlich herausragend genialen Künstler und seufzt auf dem Heimweg oder beim anschließenden Restaurantbesuch über das Versäumnis, in früher Kindheit mit dem Erlernen eines Musikinstruments begonnen zu haben.
U-Musik ist Volksmusik, d. h. populär, weil die Unterhaltung, Kommunikation „auf Augenhöhe“ geschieht. Schlager, Volkslied oder Rocksong werden vom Publikum mit- oder nachgesungen, begleitet und selbst in Szene gesetzt durch wippende Füße, tanzende Beine, schwingende Arme, sich wiegende und biegende Körper. Taktgefühl im eigentlichen und übertragenen Sinne lässt die Einsamen gemeinsam in harmonischer Eintracht schwingen, regt den Teamgeist zu Höhenflügen an, befreit den Einzelnen aus sozialer Isolation.
E-Musik dient ebenso der Unterhaltung wie das Bewegen des Körpers im Takt wiederkehrender Rhythmen einem ernst zu nehmenden menschlichen Grundbedürfnis. Der Ernst des Lebens beginnt nicht erst in der (Musik-) Schule, sondern spätestens mit der Geburt unseres physischen Körpers auf dem Planeten Erde. Wer dann im Arm einer liebevoll singenden Mutter gehalten, beruhigt, getröstet, unterhalten und in den Schlaf gewiegt wurde, weiß, wo und wie die wahre Musik spielt.
Jutta Riedel-Henck, 25. September 2024
aus: Jutta Riedel-Henck. Musikempfinden: Das Lied der stummen Seele. 30. Juli 2024 – ...