Musik ist kein Ding, keine Sache, kein Fach, keine vom Leben gesondert behandel- und darstellbare künstliche Wesenheit.
Was der kultivierte, gebildete, studierte Mensch als Musik definiert, um es schriftlich zu fixieren und wissenschaftlich untersuchen zu können, ist pure Theorie, die gemäß einem Filter auf die Wahrnehmung der sie Definierenden wirkt.
Aus dieser formell begrenzten Wahrnehmung heraus werden Werke geschaffen und etabliert, deren Aufführung und Konsum Gewohnheiten prägt.
Während wir die Unmöglichkeit, den Gesang von Vögeln auf eine Weise zu notieren, dass der Mensch sie aufgrund der so entstandenen Partitur naturgetreu nachsingen kann, zweifellos einsehen, herrscht der Glaube, professionell sei der Musiker, welcher Noten lesen und „vom Blatt spielen“ könne.
Niemand kommt auf die Welt und bedarf einer mit Zeichen bedruckten Vorlage, um Geräusche, Töne und Klänge zu erzeugen. Wohl aber treffen wir auf Gegenüber, die unsere Improvisationen bzw. unmittelbaren Kompositionen beantworten, begleitet von Emotionen, welche uns signalisieren, ob unsere Lautäußerungen erwünscht oder unerwünscht sind, d. h. positive, freudvolle oder negative, ablehnende Reaktionen hervorrufen.
Ein Kind in Not wünscht sich Trost. Eine Stimme, die es aus seinem von Angst getriebenen Schwingungszustand führt. Ein liebevoller Ton erhellt den Raum wie eine brennende Kerze, erinnert an den Urklang des In-Liebe-Seins.
Aus diesem Ton heraus wirkt jede Formierung – Silbe, Wort, Satz, Melodie … – heilsam.
Jutta Riedel-Henck, 28./29. September 2024
aus: Jutta Riedel-Henck. Musikempfinden: Das Lied der stummen Seele. 30. Juli 2024 – ...