Applaus? Wofür?

Einmal angenommen, wir würden uns wie Tiere, Katzen, Hunde, Pferde, Ziegen, Kaninchen im Konzertsaal befinden, während auf der Bühne ein tastendrückender Pianist Beethovens oder Stockhausens schriftliche Hinterlassenschaften interpretierend den Raum beschallt, offenbarte sich der Unterschied zwischen Natur und Kultur.

Was tut der Mensch nicht alles, um höflich zu erscheinen. Den Hustenreiz unterdrücken. Still sitzen. Und vor allem sitzen bleiben. Statt aufzustehen. Zu gehen. Sei es im Saal umher oder durch die Tür ins Freie.

Wie echt ist das Verhalten von Konzertbesuchern? D. h. Menschen?

Humoristen wie Loriot und Hape Kerkeling führen uns den Ernst der Lage vor Augen. Der wohlerzogene hochkultivierte Bildungsbürger verharrt steif wie ein Kaninchen in Angststarre auf der Kirchenbank, während der Dunst bedeutungsschwangerer Scheinheiligkeit seinen Atem zum Stocken bringt, brav ergeben bis zum letzten Ton – und dann: Endlich! Die heiß herbeigesehnte Entladung! Rasender Applaus, lautes Toben und Trampeln, Klatschen und Rufen: Bravoooooooooo!

Jutta Riedel-Henck, 18./24. September 2024

 

aus: Jutta Riedel-Henck. Musikempfinden: Das Lied der stummen Seele. 30. Juli 2024 – ...