Wut ist kein böses Gefühl, wenn ich sie beherrsche und begründen kann in steter innerer Rücksprache und -besinnung mit meinem Gewissen.

Kollektive Wut ist dagegen immer böse. In ihr tauchen all die Wütenden unter, die sich ihrer Gefühle weder annehmen noch für sie verantwortlich zeigen. Die Ursache jeglicher Resonanz auf ihr emotionales Wirken sehen sie stets beim anderen, nie bei sich selbst.

Ich finde mich oft in der Rolle des Sündenbocks beladen, benutzt und missbraucht. Nicht selten hadere ich mit Gott ob meiner Aufgabe des Lockvogels in einer zutiefst verseuchten Gefühlspampe suchtkranker Menschen.

Ein in der Selbsthilfe engagierter Alkoholiker sagte mir einmal, es hätte keinen Sinn, mit einem Besoffenen zu diskutieren. Wann aber habe ich demzufolge Gelegenheit, echte Gespräche zu führen? Selten, sehr, sehr, sehr selten.

Es ist frustrierend, als nüchterner wacher Mensch unter lauter berauschten verteufelt unbewussten Trunkenbolden freundlich bleiben zu müssen, während ich sie insgeheim solange verprügeln möchte, bis sie endlich aufwachen.

Doch ich bleibe geführt von Gottes ewiger Güte seine friedliche Beobachterin in Menschengestalt und übe mich in der Meisterschaft des Lehrens im Sinne der Schöpfung, wider die egobesessene Dummheit schwarzer Pädagogik, die sich gerne hinter Masken versteckt.

Jutta Riedel-Henck, 5. September 2024

 

aus: Jutta Riedel-Henck. Musikempfinden: Das Lied der stummen Seele. 30. Juli 2024 – ...