Um die Saiten eines Musikinstrumentes zu stimmen, drehen wir an den Stimmwirbeln und horchen, schauen vielleicht gleichzeitig auf das Display eines digitalen Stimmgerätes. Dann vergleichen wir durch leichte Abweichungen in die Höhe oder Tiefe, um uns dem gewünschten Ton zu nähern.

Mit unserer Stimmung, Laune, Gemütsverfassung können wir ebenso verfahren. Wenn wir wollen.

Wie bist du drauf? Wie fühlst du dich? Zufrieden? Gelangweilt? Antriebslos? Überdreht?

Nimm ein Blatt Papier und notiere alles, was dir in den Sinn kommt bezüglich deiner Launen, in deiner Sprache. Denke oder zeichne dir eine Skala. Ganz unten landet der unerträglichste Gemütszustand, den du je erlebt hast (sofern da noch von Leben die Rede sein kann). Wie auch immer du ihn nennen willst. Depression wäre ein geläufiger Begriff.

Lass ihn in dir wirken und notiere weitere Begriffe, die dir in diesem Zusammenhang einfallen. In deiner Sprache (ohne Blatt vor dem Mund). Nur für dich.

Welche Gefühle folgen dem depressiven Zustand? Spiele mit Begriffen. Mir kommt spontan Lustlosigkeit in den Sinn. Darin verborgen ist die Lust, die fehlt. Was ist Lust? Erregung, Bewegung … Reiz … Gereiztheit … Aufregung … Aufbrausen … Ärger … Wut …

Wie fühlt sich Depression im Vergleich zu Wut an?

Wenn Wut für sich genommen als negativ bewertet wird, kann sie im Vergleich zur Depression positiv wirken, d. h. gewertet werden, um sie in der Skala darüber zu positionieren.

Was würdest du ganz oben empfinden? Wie fühlst du dich in der paradiesischsten deiner je erlebten und erinnerbaren Gemütsverfassung?

Es ist wichtig, dass du deine eigene Sprache findest. Zwar gibt es viele bereits fertig gestellte Skalen als Orientierungshilfe. Doch assoziiert jeder etwas anderes mit Begriffen wie froh, Spaß oder lustig. Womöglich wecken sie gar einen der eigenen Biografie anhaftenden sarkastischen Beigeschmack, um damit in die Kategorie Ärger zu rutschen.

Dieses Spiel mit Begriffen, die Auseinandersetzung mit assoziierten Gefühlen bringt Licht in deinen inneren Raum, entfaltet deine Kreativität, weckt deinen Geist für Erkenntnis und Erforschung deiner individuellen Struktur und Vielfalt.

Jutta Riedel-Henck, 2. Oktober 2024

 

aus: Jutta Riedel-Henck. Musikempfinden: Das Lied der stummen Seele. 30. Juli 2024 – ...