Ich sitze in einem Cafe. In der oberen Etage ist es – fast – menschenleer. Zwei Teenager-Mädchen füllen den akustischen Raum mit ihren Stimmen. Ein Smartphone dient als Vorlage für ihre Kommentare. Meine Stimmung wandelt sich von freudig in genervt. Genießen wollte ich den Augenblick des Hierseins mit saftigem Kuchen und aromatisch duftendem Kaffee Americano. Der aufgedrehte Tonfall, begleitet von lautem, hämisch wirkendem Lachen, weckt meine Fantasie. Über was machen sich die beiden lustig? Den Schaden anderer? Ihr Aussehen? Posen? Fratzen? Missgeschicke?

Mein Unwohlsein lässt mich die Flucht ergreifen, ohne nach dem Genuss von Speis und Trank in dem sonst so angenehm wirkenden Kaffeehaus in der Altstadt Lüneburgs zu verweilen.

Aus der nun aufgesuchten Toilette tritt mir eine etwa gleichaltrige Frau entgegen: „Eines kann ich Ihnen gleich sagen: Es gibt kein Toilettenpapier!“ „Macht nichts, ich habe Taschentücher dabei“, entgegne ich, während die Frau sich über mangelnde Hygiene beklagt.

Es gibt Wasser, einen modernen Luftrockner für die Hände, weder Dreck noch Gestank, außer der leeren Klopapierrolle finde ich nur einen Anlass zur Kritik: mangelnde Psychohygiene.

Jutta Riedel-Henck, 6. August 2024

 

aus: Jutta Riedel-Henck. Musikempfinden: Das Lied der stummen Seele. 30. Juli 2024 – ...