Der Seele auf den Grund zu gehen, ist gleich dem Tauchen nach dem Stein der Weisen in einem bodenlosen Meer ewiger Tiefe.
Aus ihr heraus zu singen, offenbart die Unberechenbarkeit des Lebendigseins. Der zivilisierte Mensch, so scheint es, schämt sich seiner eigenen Natur.
Er hat gelernt, seine Kinder von Vorgeburt an zu erziehen, sie nach Plan schreien und getrennt von der Mutter schlafen zu lassen.
Heute hat sich eine Kultur des Klugscheißens etabliert mit einem Überangebot an Heilversprechen zwischen Urschrei- und Magnetfeldtherapie.
Nun gilt es, das innere Kind im Erwachsenen aus seinem Korsett zu befreien, nachdem der Drang nach Entfaltung und Ausdruck natürlicher Lebensfreude einem Wertesystem unterworfen war, eingeteilt in gut und böse, erlaubt und verboten, belohnt und bestraft, erhört und unerhört.
Der eigenen Programmierung gewahr zu werden, ist ein mühsamer Weg. Was ist natürlich? Was brauche ich wirklich? Was liebe ich? Verwechsle ich Liebe mit Gewohnheit und Scheinsicherheit? Bin ich ehrlich mit mir und meinen Emotionen? Muss ich mich in Gefahr begeben, Ängste überwinden, meine Komfortzone verlassen? Nackt auf die Straße laufen, in der Öffentlichkeit rülpsen und pupsen, jegliche Höflichkeitsregel über Bord werfen?
Nein. Die Arbeit mit dem inneren Kind, seinen Verletzungen und Emotionen, bedarf eines privaten, persönlichen Rahmens.
Sie gleicht der Entwicklung unbewusster Prägungen auf lichtempfindlichem Papier in einer Dunkelkammer, ohne materiell greif- und sichtbar, geschweige denn vorzeigbar zu sein.
Das Licht der Öffentlichkeit ist verlockend. In ihr vermutet das unter mangelnder Aufmerksamkeit leidende Kind die Sättigung ungestillter Bedürfnisse.
Auf der Suche nach Liebe, dem unbegrenzt freien Fluss sinnlich empfundener Glückseligkeit, entpuppt sich der Glaube als teuflischer Anführer zwischenmenschlicher Kriege.
Musik ist alles und nichts, jedes Lebewesen ein Musiker, berufen als Stimme Gottes, dem Universalgenie ohne Studienabschluss und goldener Schallplattensammlung.
aus: Jutta Riedel-Henck. Musikempfinden: Das Lied der stummen Seele. 30. Juli 2024 – ...