Intuition (von lateinisch intueri: hinschauen) ist kein Feind der Intelligenz (von lateinisch intellegere: wählen zwischen). Wenn wir zweifeln, uns nicht entscheiden können, nachdem und obwohl der erste Eindruck uns wohlgesonnen stimmte („Liebe auf den ersten Blick“), steht uns der Glaube im Weg, ein Speicher voller Bilder, verknüpft mit emotionalen Erinnerungen, die dem gerade Wahrgenommenen ähneln. Übernimmt der Intellekt die Führung, kommt es zu einem endlosen Ver-Gleichen und Gegenüberstellen wahrnehmbarer Gesichtspunkte, um die (intuitive) unvoreingenommene reine ganze Wahrnehmung in den Schatten zu stellen.

Intuitiv geführt würde niemand einem anderen Menschen misstrauen. Alle Kriege, Hässlichkeiten beruhen auf die Intuition verdrängenden Vorstellungen, von denen wir unser Denken, Fühlen, Leben beherrschen lassen. Wir bekommen serviert, was wir erwarten, jede Prophezeiung erfüllt sich selbst. Ob wir das nun wahrnehmen oder nicht.

Der Glaube ist unser einziger Feind.

Jutta Riedel-Henck, 2. September 2024

 

aus: Jutta Riedel-Henck. Musikempfinden: Das Lied der stummen Seele. 30. Juli 2024 – ...