Und nun? Was denkst du? Warum liest du diese Wörter? Welcher Gedanke hat dich hierhergeführt? Routine? Die Aufwärmung eines alten Gedankens? Willst du in diesem Moment wirklich lesen?

Diese Frage zu beantworten, ist entscheidend für die Tiefe deiner Wahrnehmung beim Lesen. Denn du liest keine Worte, du liest in dir selbst. Durch dich selbst. Das bist alles du! Ausnahmslos du! Niemand sonst liest. Niemand sonst tut das, was du jetzt tust. Durch dich. Du bist nur du.

Keines dieser Zeichen vor deinen Augen ist von dir unabhängig. Jeder einzelne Punkt wird von dir selbst in jedem Moment geschaffen. Das glaubst du nicht? Du glaubst, jemand anderes hätte das vorgegeben und du würdest nur folgen, dich unterwerfen, anpassen? Auf einen fahrenden Zug springen, der ohne dich weiterfährt?

Wenn du die Tür eines Kühlschrankes öffnest, brennt in ihm ein Licht. Wie kannst du wissen, dass es erlischt, sobald du die Tür von außen geschlossen hast?

Hast du dich jemals in ihn gesetzt und die Tür von innen zugezogen?

Vielleicht sagst du: Bin ich bekloppt? Im Kühlschrank ist es kalt und dunkel.

Als Kind warst du experimentierfreudig und klein genug, um dich in einem Schrank zu verstecken. Jetzt glaubst du dich erwachsen, klug und allwissend.

In einer kalten dunklen Umgebung hast du die Chance, dir deiner inneren Wärme und Helligkeit gewahr zu werden. Zu spüren. Fühlen. Empfinden.

Rationale Erklärungen, warum im Kühlschrank kein Licht brennt, brennen kann, wenn die Tür geschlossen ist, befriedigen deinen Verstand, der die Oberhand behält, wenn du dein sinnliches Erleben abstempelst als dummes kindisches unwichtiges wertloses überflüssiges Getue.

Welche Klugscheißer haben dir dein Kindsein verdorben und ausgetrieben? Schick sie fort. Ziehe Gummistiefel an, stapfe auf matschigen Wegen durch Pfützen. Setz dich in einen Kleiderschrank. Ich habe als Kind darin Blockflöte gespielt.

Jutta Riedel-Henck, 5. November 2023

 

aus: Die Liebe ist bedingungslos ... alles andere ist Täuschung. 6. August 2023 - ...